EuGH: Private Videoüberwachung nicht ausschließlich privater Räume unterfällt dem Datenschutzrecht

21.01.2015. 20:35

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat kürzlich entschieden (Urt. v. 11.12.2014, Az.: C-212/13), dass Videoüberwachung durch Private in den Anwendungsbereich datenschutzrechtlicher Bestimmungen fällt, soweit die Beobachtung nicht allein auf den private Lebensbereich beschränkt bleibt, sondern zumindest auch den öffentlichen Raum mit erfasst.

Ein tschechischer Staatsbürger ist in der Vergangenheit Opfer von Straftaten geworden. Zum Schutz seiner selbst und seiner Familie vor strafbaren Handlungen gegen Leib, Leben und Eigentum, hat er eine Überwachungskamera an seinem Einfamilienhaus angebracht, deren Sichtfeld nicht nur den Eingang seines Hauses, sondern zugleich auch den öffentlichen Straßenraum und den Eingangsbereich eines gegenüberliegenden Hauses einbezog. Als eine Fensterscheibe seines Hauses eingeschlagen wurde, hat die zuvor in Betrieb genommene Kamera zwei Verdächtige gefilmt, deren Identität nach der Auswertung des aufgezeichneten Videomaterials festgestellt werden konnte.

Im Strafverfahren gegen die Verdächtigen beantragte einer der mutmaßlichen Beteiligten eine rechtliche Überprüfung der Überwachungseinrichtung. Eine Prüfung der zuständigen Behörde ergab einen Verstoß der Videoüberwachung gegen tschechisches Datenschutzrecht, da Personen im öffentlichen Raum ohne Erlaubnis gefilmt und Informations- sowie Anzeigepflichten nicht erfüllt worden waren.

Im weiteren Instanzenzug setzte das Oberste Verwaltungsgericht wegen Auslegungszweifel der Europäischen Datenschutzrichtlinie das Verfahren aus und legte dem EuGH die Frage zur Entscheidung vor, ob der Ausnahmetatbestand des Art. 3 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 95/46/EG, der die Anwendbarkeit des Datenschutzrechts für Privatpersonen bei Datenverarbeitung von Personendaten zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten ausschließt, im vorliegenden Fall Anwendung findet.

Aus der Auslegung der Richtlinie unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung zum europäischen Grundrecht auf Achtung der Privatsphäre (Art. 7 GRCh) schlussfolgert der EuGH das Erfordernis eines europaweit hohen Datenschutzniveaus, das nur in engen Grenzen Ausnahmen zulassen soll. Daher falle die Verarbeitung personenbezogener Daten nur dann unter die Ausnahmeregelung, wenn sie in der ausschließlich persönlichen oder familiären Sphäre desjenigen vorgenommen werde, der die Daten verarbeite, stellte das Gericht klar. Da bei einer am Haus befestigten Videoüberwachungsanlage, deren Beobachtung auch den öffentlichen Raum umfasst, die Grenze der ausschließlich persönlichen und familiären Tätigkeitsausübung nach Auffassung des EuGH überschritten wird, ist die Ausnahmeregelung nicht einschlägig und das Datenschutzrecht damit anwendbar. Unter dieser Voraussetzung ist die Videoüberwachung für den Anlagenbetreiber z.B. nur dann erlaubt, wenn sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen, zu denen auch der Schutz oben genannter Rechtsgüter des Hausbesitzers zählt, erforderlich ist.

Als Reaktion auf die Entscheidung ließt die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Andrea Voßhoff, per Pressemitteilung verlauten, dass das Gebot zur engen Auslegung der Ausnahmen von der Anwendbarkeit der Datenschutzrichtlinie den Datenschutz stärke und aus dem Urteil auch folge, dass die Rechtsauffassung deutscher Datenschutzaufsichtsbehörden zum Einsatz von Dashcams durch Privatpersonen zutreffe. Diese haben hierbei nämlich in der Vergangenheit einen datenschutzrechtlich relevanten Vorgang angenommen. Ob die Geltung der Richtlinie die darin enthaltenen Betreiberpflichten für gleiche oder ähnlich gelagerte Fälle wie dem hier entschiedenen auslöst, geht laut Voßhoff aus der Entscheidung nicht hervor. Darüber hinaus äußerte sie aber auch Bedenken, da offenbleibe, ob für die Anwendbarkeit des Datenschutzrechts jeder Öffentlichkeitsbezug ausreiche oder ob es dabei auf die mit der Videoüberwachung verfolgten Absichten des Verantwortlichen ankomme. Denn Ersteres würde eine nicht unproblematische Ausweitung des Datenschutzrechts bis in den Bereich privater Freizeitgestaltung bedeuten, mahnte die Bundesdatenschutzbeauftragte.

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